Ein virtueller Friedhof für Seewen
Alle Daten der Verstorbenen seit 1900 können im Internet abgerufen werden
Der «leidenschaftliche Seebner» Peter Rickenbacher hat in monatelanger Kleinarbeit Schachteln voller Totenhelgeli, Archive und Klassenfotos durchstöbert, recherchiert und archiviert. Herausgekommen ist eine (fast) lückenlose Auflistung aller verstorbenen Seebner/innen seit 1900. Jetzt stellt er das Ergebnis für alle Interessierte einsehbar ins Internet.
Von Franz Steinegger
Seewen hat, obwohl seit 1966 eine eigene Pfarrei, keinen eigenen Friedhof. Die Filialbewohner werden, wie auch alle Gemeindeeinwohner, seit 13. Oktober 1857 im «Bifang» in Schwyz bestattet. Zuvor wurden die Verstorbenen im Kirchhof der Schwyzer Pfarrkirche beerdigt. Dafür hat Seewen nun heute etwas, was wohl landesweit einmalig ist: einen virtuellen Friedhof. Mit ihm kann im Internet nachgeschaut werden, wann ‚Onkel Sebastian’ oder der Nachbar der Grossmutter oder die Frau des Bäckermeisters «Sowieso» gestorben ist.
Am Anfang stand eine Schachtel voller Totenhelgeli
Initiant und Macher hinter der bestechenden Idee ist Peter Rickenbacher, Präsident des Einwohnervereins Seewen. Den Einfall, eine Datei mit den Namen (fast) aller Verstorbenen Seebnerinnen und Seebnern auzulegen, kam ihm bei seiner privaten Forschertätigkeit. «Ich stiess im Estrich auf eine Schachel mit Dutzenden von Totenhelgeli. Da kam mir der Gedanke, diese alphabetisch in einer Tabelle aufzulisten und allen Interessierten via Internet frei zugänglich zu machen.» Jeweils am Feierabend bis weit nach Mitternacht begann die akribische Erfassung der Daten, «bis mir vor Müdigkeit fast der Kopf auf die Tastatur des Computers fiel», wie er den Werdegang dieses Werkes beschreibt. Die ersten 500 Namen waren schnell aufgelistet, doch dann kam die eigentliche Knochenarbeit. Er befragte zahlreiche ältere Einwohner nach deren Familienalben und «Helgeli»-Sammlungen. Dabei kamen ihm als «Ureinwohner» sein Netzwerk und seine Kenntnisse des Dorfes entgegen – und natürlich sein Beruf als Gastwirt im «Kreuz», wo er Gäste befragte, ihnen Klassenfotos zeigte und nach den Namen der Abgebildeten fragte. «Alle Angesprochenen waren begeistert von der Gedenkstätten-Idee und überliessen mir ganze Bücher, Schachteln, Dosen, Kuverts und Familienalben zu Forschungszwecken.» So trugen Dutzende von Personen zur Ausweitung der Liste bei. Das Pfarramt war bereit, die Liste auf ihre Vollständigkeit hin zu überprüfen. «Leider war dies nur bis 1966 zurück möglich, weil es zuvor kein Pfarramt Seewen gab», erklärt der Hobby-Historiker. «Wer zuvor verstorben war, konnte nur bei Vorhandensein eines Totenhelgelis oder dank Angaben der Angehörigen erfasst werden.»
Bis hinauf zur Haggenegg
Aufnahme auf der Verstorbenenliste fanden alle Personen, welche einmal in ihrem Leben in Seewen lebten oder einen starken Bezug zum Dorf hatten. Um die Grenzen von Seewen – das in der politischen Gemeinde Schwyz liegt - zu definieren, griff Rickenbacher auf den Neuviertel-Plan der Oberallmeindkorporation zurück: Die Grenze nach Westen bildet die Gemeindegrenze nach Steinen, jene nach Süden die Urmiberg-Krete, nach Osten die Gemeindegrenze zu Ingenbohl sowie der Verlauf des Nietenbachs bis hinauf zur Haggenegg und gegen Norden den Grenzverlauf zur Gemeinde Sattel. «Alle andern Kreise, vom Schul-, Post-, Zivilschutz-, Feuerwehr- und Pfarreikreis wurden fallweise immer wieder verändert. Bestand haben tun aber einzig seit Jahrhunderten die geografischen, natürlichen Grenzziehungen», bemerkt der Historiker.
Verstorbene nicht vergessen
Vor allem Familien-Forscher dürften begeistert vom entstandenen Werk sein. Denn aus Datenschutzgründen erteilen die Einwohnerkontrollen, aber auch die Pfarrämter nur noch sehr zurückhaltend und meistens nur noch gegen Gebühr punktuell Auskunft. Dies, obwohl sämtliche Daten mindestens einmal veröffentlicht wurden! Mit diesem Werk, das der Initiant die nächsten paar Monate noch weiter betreuen und vervollständigen will, möchte er in der heutigen, schnelllebigen Zeit auch ein Zeichen setzen, «einen Marschhalt einlegen». «Kaum ist man tot, geht man vergessen. Die Liste soll einen Beitrag dazu leisten, dass auch nach dem Ableben die eine oder andere Person über den ‚virtuellen Seebner Friedhof’ geht und bei diesem und jenem verstorbenen Mitbürger bzw. Mitbürgerin einen kurzen Halt einlegt. Und darüber nachdenkt, dass man/frau auch einmal aus dieser Welt schreitet.»
Passend daher das Zitat von Niklaus Meienberg, welches den Einstieg in die Seebner Gedenkstätte bildet: «Tot ist man erst, wenn man sich nicht mehr daran erinnert.» Rickenbacher ist überzeugt, dass der virtuelle Friedhof «95 Prozent aller Seebnerinnen und Seebner, die in den letzten 100 Jahren gestorben sind», enthält. „Fehlt jemand, so nehme ich selbstverständlich allfällige Ergänzungen noch gerne entgegen!“
Schuler, Reichmuth, Betschart pr. Auf der «virtuellen Gedenkstätte» sind die Namen von über 1300 Personen fein säuberlich nach Alphabet aufnotiert, die Todesfälle der letzten zwölf Monate chronologisch zuoberst. Alle Personen wohnten oder starben im Dorf oder hatten sonstwie einen engen Bezug zu Seewen. Es ist die erste Liste dieser Art im Kanton und für alle Interessierte frei zugänglich. Die Liste gibt auch interessante Details preis. So wird die Feststellung bestätigt, dass bei einem Ableben eines Ehepartners oftmals der zurückbleibende innert kürzester Zeit – vermutlich aus seelischen Gründen – ebenfalls stirbt. Aufschlüsse gibt die Liste auch über die häufigst verbreiteten Geschlechter in Seewen. So führt die Spitze der Name «Schuler» mit 69 Verstorbenen an, gefolgt von «Reichmuth» und «Betschart». Nachfolgend die Rangliste (alphabetisch, bis hinunter zu elf Nennungen):
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„Tot ist einer erst, wenn sich niemand mehr erinnert.“ (Niklaus Meienberg)
Generationen von Menschen sind in Seewen zur Welt gekommen, haben hier gelebt und sind auch hier gestorben. Die meisten haben in aller Stille ihren Beitrag zum Leben im Dorf beigetragen. Einige sind öffentlicher aufgetreten. Alle haben sie ihre Spuren in unserer Gemeinschaft und in der Geschichte des Dorfes hinterlassen. Wer sich auf Spurensuche begibt, findet sie auf dem Friedhof Bifang in Schwyz, wo die Seebner zur letzten Ruhe gebettet werden. Virtuell trägt die Gedenktafel auf unserer Homepage dazu bei, dass die Erinnerung an die Verstorbenen erhalten bleibt. Wir halten sie in dankbarer Erinnerung und wissen: sie leben in unseren Herzen weiter.
Download der kompletten Liste als PDF-Datei (275 KB) Zuletzt aktualisiert am 30. November 2023 |
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Ein riesiges Werk für die Öffentlichkeit geschaffen: Gastwirt, Hobby-Dorfhistoriker und Präsident des Einwohnervereins Seewen, Peter Rickenbacher, erfasste alle verstorbenen Seebnerinnen und Seebner der letzten 100 Jahre auf einer Liste, die jetzt im Internet eingesehen werden kann.
Alle auf der virtuellen Seebner Gedenkstätte aufgelistet: ob Pfarrer Bruhin, Dorfarzt Schindler oder Lehrer Rauchenstein, sie alle sind für die Nachwelt auf der Liste verewigt.
Auch einem Wandel unterworfen, die Gestaltung von 'Totenhelgeli'. Früher waren sie mit zahlreichen biblischen Weisheiten verziert, heute nur noch mit den absolut nötigsten Daten der verstorbenen Person.
Das älteste vorhandene 'Totenhelgeli' in der Seebner Sammlung: es stammt aus dem Jahre 1905 und lieferte die Daten von Helena Sidler-von Reding.
1450 wurde in Seewen die erste Kapelle gebaut. Einen eigenen Friedhof aber hatte Seewen nie. 1642 wurde der Grundstein zur heutigen 'Alten Kapelle' (im Bild) gelegt.
Seebner Verstorbene in Schwyz: bis 1857 fanden sämtliche Beerdigungen - in Geschlechtergräber - rund um die Schwyzer Pfarrkirche im sogenannten 'Kirchhof' statt. Seit 13. Oktober 1857 befindet sich der Gemeindefriedhof (auch 'Gottesacker' genannt) im Bifang, nachdem er dort vom Kanton erstellt wurde.
Interessant: am 12. November 1857 noch hatte auf dem alten Kirchhof die letzte Beerdigung stattgefunden; es wurde ein Mädchen des Hauptmann Alois Aufdermaur von Seewen beigesetzt, und schon am 17. Novermber 1857 wurde als erstes ein Kind des Alois Geisser von Schönenbuch im neuen Friedhof Bifang der geweihten Erde übergeben...